MuK: Freundschaft online – ob das gut geht?

© MUK e.V.

Immerhin: Ich habe es versucht! Digital Detox in der Ferienzeit. Kein WhatsApp oder Facebook, kein Instagram, TikTok sowieso nicht und auch kein E-Paper. Ich habe mein Handy in die Schublade gelegt und dafür meinen Wecker herausgeholt, um mich wieder mit dem vertrauten Piepsen wecken zu lassen.

Genau eine Woche habe ich es geschafft: Festnetztelefon in der Wohnung statt Zwischendurchtelefonate im Auto oder beim Einkaufen, Nachrichten aus dem Fernsehen oder der Tageszeitung, Geburtstagskarte statt Torte- und Blumen-Icons. Morgens beim Rausgehen in den Himmel geschaut und darauf vertraut, dass meine Kinder pünktlich nach Hause kommen. Beim Joggen auf Atem und Puls gehört, anstatt später die Daten auszulesen, das RMV-Ticket am Automaten gezogen und im Rezeptbuch geblättert und nicht in der App. Ich fühlte mich gut und frei und vermisste nichts, dachte, das kann jetzt gerne so weiter gehen. Von wegen FOMO (Fear of missing out) und Absprachen in der WhatsApp-Gruppe, auch wenn ich off bin, bin ich dabei. Dachte ich.


Dann passierten zwei Dinge: Erstens musste ich dringend Überweisungen tätigen – und die Freigabe erfolgt über die entsprechende App. Das alles umzustellen, schien mir der Mühe nicht wert. Also wieder ran und an. Und zweitens wurden in einer Freundesgruppe ohne mich Partyvorbereitungen getroffen. Schlimm: ich war bei dem Sommerfest nicht dabei. Noch schlimmer: Niemand hat sich gewundert, dass ich mich nicht gemeldet habe. Am schlimmsten: Niemand hat mich vermisst!

Natürlich ärgert mich das aus verschiedenen Gründen, natürlich stelle ich den Wert solcher Freund*innen in Frage, immerhin hätte mir ja auch was passiert sein können! Doch als erwachsene Frau kann ich damit umgehen – unseren Kindern fällt es schwer, denn sie sind längst noch nicht so in ihrem sozialen Umfeld und in ihrem Charakter gefestigt wie wir. Deswegen sollten wir entspannter sein, wenn es um die Handynutzungszeiten unserer Kinder geht.

Denn wenn wir uns heute darüber wundern, dass sie nonstop online sind und via Handy ihre sozialen Kontakte pflegen, geht es genau darum: Dabei zu sein, integriert zu sein. Es geht um Likes für das Selbstbewusstsein, Anerkennung und Aufmerksamkeit von Freund*innen im Netz. Wir als Eltern sollten anerkennen, dass sich Freizeitaktivitäten längst in die digitale Welt verschoben haben, ebenso wie Freundschaften und Kommunikation. Nicht zuletzt durch Corona hat die Bedeutung von Messengerdiensten, Chats und Videokonferenzen zugenommen, wir alle haben davon profitiert.

Jetzt liegt es an uns, ob wir uns an die Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit der Social-Media-Apps anpassen oder für die Werte einstehen, die uns wichtig sind. Wie zum Beispiel echte Blumen zum Geburtstag verschenken oder gemeinsame Ausflüge statt virtuelle Treffen. Vielleicht gelingt uns ja die Balance und wir teilen das Gefühl von echter Freundschaft in unseren Netzwerken, in denen wir aktiv sind. Oder wir sprechen mit unseren Kindern über unsere Freund*innen damals und heute, über Veränderungen und unsere Wahrnehmungen und was uns wichtig ist. Welchen Trouble wir früher in unsere „Clique“ hatten. Wie schwer es war, dazu zugehören und wie schnell man draußen war. Wer von den ehemals besten Freund*innen heute noch Willkommen ist, welche neuen Freundschaften inzwischen entstanden sind und welche Bedeutungen sie haben.

Mein Handy habe ich übrigens längst wieder on, jene Freundesgruppe habe ich verlassen. Dafür plant meine Familie jetzt eine Hausparty mit gemeinsamen Freund*innen – mit einer selbstgestalteten Einladungskarte, die ich via E-Mail an alle verschicke …

Autorin Ilona Einwohlt für MuK Hessen e.V.

Mehr Informationen unter: Institut für Medienpädagogik u. Kommunikation, Hessen e. V.

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