MuK: Bildschirmzeit - Familienzeit - und "Fear of Missing Out"

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Neulich wurde im Rahmen unseres Eltern-Kind-Mediencoachings von einem Vater gefragt, ob seine 10jährige Tochter etwas verpassen würde, wenn er ihre Handyzeit streng reglementieren würde. Statt einer direkten Antwort war in diesem Fall eine Rückfrage passender: Was genau denn würde die Tochter verpassen?

Es entspann sich eine interessante Diskussion über FOMO (Fear of Missing Out), wie man sie unter Erwachsenen auch kennt. Die ständige Erreichbarkeit durch Online-Dienste setzt uns genauso unter Druck wie Jugendliche. Zudem wird es immer schwerer, sich in einer Welt zu positionieren, in der Nonstop neue und wechselnde Informationen verfügbar sind. Wer hier kein gefestigtes Weltbild besitzt oder als Heranwachsender keine "Leitplanken" erhält, gerät schnell in den Sog von Hassrede und Desinformation – was übrigens Erwachsenen genauso leicht passieren kann.

Es kommt also weniger auf die konkrete Bildschirmzeit an als auf den Inhalt, den Kinder wie Erwachsene konsumieren. Hier zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht, was "man verpasst" und was nicht, ist ein individuelle und sehr persönliche Entscheidung. Je nach Interessen und Hobbies kann dies sehr unterschiedlich sein. Gut ist es immer, Quellen und Fakten zu überprüfen, nicht immer gleich Likes zu setzen. Und schon gar nicht sollten Inhalte zweifelhafter Herkunft leichtfertig geteilt werden.

Was jedoch die Handynutzung von Jugendlichen betrifft, verstehen Eltern nicht immer sofort Sinn und Zweck der hundertfünfzig Nachrichten, Flammen, Likes. Für Sohn oder Tochter jedoch mag es elementar sein, zeigt es nämlich eine Form der Zugehörigkeit und Anerkennung innerhalb der Peergroup. Auch das Schauen von Let's Plays (Videos, bei denen man anderen beim Spielen zuschaut) mag einem als Erwachsener sinnlos erscheinen. Hand aufs Herz: Wer guckt nicht gerne Fußball oder Kochsendungen, schaut also selbst anderen beim Spielen oder Kochen zu, ohne es selbst zu tun? Hier geht es um Unterhaltung, Zerstreuung, Ablenkung, die wir alle brauchen. Achtsam sollten Eltern jedoch bei tendenziösen Inhalten sein, zum Beispiel wenn Rollenklischees und Geschlechterstereotype reproduziert werden und dies nicht nur, um die eigene Identität herauszubilden, sondern um andere zu diskriminieren. Oder wenn rechtspopulistische Inhalte konsumiert werden, die unsere Demokratie gefährden und die Gefahr einer extremen Meinungsbildung besteht.

Wie aber kann Bildschirmzeit reglementiert werden? Am besten schafft man von Anfang an klare Absprachen und Medienrituale, dann braucht man auch keine Angst haben, etwas zu verpassen. Hierzu gibt es verschiedene Empfehlungen und die einfachste wie komplizierteste lautet: Sie entscheiden! Sie als Eltern kennen Ihr Kind am besten. Oder anders: Ihr WLAN, Ihre Regeln! Um Ihnen ein paar Impulse zu geben, finden Sie im Folgenden eine Orientierung, je nach Alter die Bildschirmzeiten zu begleiten und anzupassen. Besprechen Sie in Ihrer Familie, was für Sie und Ihre Kinder angemessen ist, und nutzen Sie die Familienzeit zum Austausch. Und fragen Sie Ihre Kinder, was sie denken zu verpassen. Wetten, dass gemeinsames Spielen, Lachen, Kuscheln wichtiger ist als der nächste Highscore?

Empfehlungen für Bildschirmzeiten:
Zu Beginn des Lebens braucht das Kind Zeit, um mit seinen Eltern gemeinsam und mit allen Sinnen seine Bezugspunkte zu entdecken. In diesem Alter ist gemeinsames Spielen, Sprechen, Vorlesen besonders wichtig. Fernsehen und Tablets sollten keine Rolle spielen. Später erkunden Kinder ihre sensorischen und manuellen Fähigkeiten. Bildschirmzeit sollte unbedingt begleitet sein. Ganz klar gehören Tablet, Fernseher und Computer nicht ins Kinderzimmer und erst recht sollten digitale Tools während der Mahlzeiten und vor dem Einschlafen untersagt sein. Da gilt es auch als Eltern Vorbild zu sein.

Ab der Schulzeit entdeckt das Kind die Spielregeln des Soziallebens. In diesem Zeitraum geht es vor allem um die kreative Verwendung von digitalen Medien. Jetzt ist es wichtig, die Regeln zur Zeitdauer vor dem Bildschirm und an der Spielkonsole zu besprechen und zu bestimmen. Außerdem gilt es, das Prinzip des Internets zu vermitteln, nämlich: Alles, was im Internet steht, kann an die Öffentlichkeit gelangen. Einmal im Netz, immer im Netz. Und: Man darf nicht alles glauben, was im Internet steht.

Vor der Pubertät erforschen Kinder die Komplexität der Welt. Meist ist dies auch der Zeitraum für das erste Smartphone und eigenständiger Handynutzung. Bildschirmzeiten sollten begrenzt sein und Inhalte gemeinsam reflektiert werden.

Ab der Pubertät befreien sich Kinder zunehmend von familiären Banden und sind ohne elterliche Begleitung im Netz aktiv. Doch immer wieder sollten Themen wie Download, Plagiate, Pornografie, Fake News, Hassrede und alle Formen von Mobbing besprochen werden. Und, ganz wichtig: Nachts sollten WLAN und Handy ausgeschaltet sein.

Autorin Ilona Einwohlt für MuK Hessen e.V.

Mehr Informationen unter: Institut für Medienpädagogik u. Kommunikation, Hessen e. V.

 

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